Einmal Nachhaltigkeit mit allem, bitte.

Céline Salzmann

von

September 2021~5 Minuten

Heute schon nachhaltig eingekauft? Nachhaltig ins Büro gependelt? Nachhaltig eine Internet-Suche abgesetzt? Nachhaltigkeit verfolgt uns auf Schritt und Tritt. Und nervt ein bisschen, weil das Wort für alles und das Gegenteil benutzt wird – Der Unterschied zwischen ehrlichen Bemühungen und Greenwashing ist kaum mehr erkennbar.

Also alles heisse Luft? Nein, natürlich nicht. Aber was bedeutet Nachhaltigkeit für uns als KMU? Was bewirken wir mit unserer Tätigkeit in der Umwelt? Und wie können wir unseren Beitrag für eine nachhaltigere Gesellschaft leisten?

Worüber wir sprechen

Bevor es losgeht, zuerst einige Schritte zurück. Was heisst Nachhaltigkeit eigentlich genau?

Eine geläufige Definition stammt aus dem UN Brundtland Report von 1987 (sinngemäss übersetzt):

Nachhaltigkeit bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart zu erfüllen, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse zu beeinträchtigen.

Wie kommen wir diesem Ziel näher? Eine Nachhaltigkeits-Strategie muss her!

Strategie: In vier Schritten zur Nachhaltigkeit

Wir haben uns für ein Vorgehen in vier Schritten entschieden:

  1. Materiality Assessment
    Welche Themengebiete der Nachhaltigkeit sind uns wichtig?
  2. Corporate Footprint
    Wie gross ist der Fussabdruck unserer Aktivitäten?
  3. Sustainability Roadmap
    Wo wollen wir hin und wie sieht der Weg dorthin aus?
  4. Ecodesign & Engagement
    Wie werden unsere Aktivitäten nachhaltiger und wer unterstützt uns dabei?

1 – Materiality Assessment

Der erst Schritt ist, sich über die eigenen Absichten klar zu werden: Welche Bereiche wollen wir angehen?

Nachhaltigkeit umfasst im Unternehmenskontext drei Handlungsfelder:

  1. Soziales und Gesellschaft
  2. Wirtschaft
  3. Umwelt

Im Handlungsfeld 1 und 2 haben wir in den letzten Jahren bereits sehr viel in unserem Unternehmen verändert, ohne dies – bis anhin – mit dem Begriff Nachhaltigkeit in Verbindung zu bringen. Dazu gehören:

Damit ist es natürlich nicht getan. Aber es spricht dafür, dass eine Kultur bei uns schon verankert ist, Strukturen zu reflektieren und für alle Beteiligten passend zu gestalten – ganz im Sinne von New Work. Auch war Gewinnmaximierung für Aktionär*innen noch nie das Ziel von smartive:

  • Mindestens ein Drittel des Gewinns wird an die Mitarbeitenden ausgeschüttet.
  • 14 der 21 Mitarbeiter*innen sind gleichzeitig Aktionär*innen und wer Aktien besitzt, arbeitet bei smartive.
  • Wer 100% arbeitet, hat zweieinhalb Wochen pro Jahr für Weiterbildung zu Gute.
  • Wer einen CAS, Bachelor oder Master angeht, wird ohne Verpflichtung mit 28 bezahlten Studientagen pro Jahr unterstützt.
  • Pro Mitarbeiter*in spenden wir jährlich 500 CHF an gemeinnützige Organisationen.

Und die Umwelt?

Bleibt Punkt 3, die Umwelt. Darauf möchten wir uns in unserer Nachhaltigkeits-Strategie fokussieren.

Bis anhin sind vor allem grössere Unternehmen wie Google oder Apple auf diesen Zug aufgestiegen und haben sich z.B. auf Netto-Null-Ziele beim CO2-Ausstoss verpflichtet – um nur einen Aspekt zu nennen.

Auch wenn wir nur ein kleines Dienstleistungsunternehmen sind, möchten wir unseren Teil für die Umwelt beitragen. Mit Unterstützung von Christopher Zimdars (Umweltingenieur, ETH) haben wir uns also auf den Weg gemacht.

2 – Corporate Footprint

Um einen Überblick über unseren Verbrauch zu erhalten, berechnen wir in einem ersten Schritt unseren Treibhausgas-Fussabdruck. Dabei begrenzen wir uns auf die Jahre 2019 und 2020.

Wie?

Alle Emissionen, die durch unsere Tätigkeiten verursacht werden, haben wir anhand des Greenhouse Gas Protocol ausgewiesen, eines weltweit verbreiteten Standards für die Bilanzierung von Treibhausgas-Emissionen. Dazu gehören alle Emissionen von der Klimaanlage im Büro über geschäftliche Mobilität bis zum Kaffee, den wir trinken.

Was heisst das genau?

Das Greenhouse Gas Protocol unterteilt Emissionen in drei Scopes (siehe Abbildung), wobei Scope 3 wiederum in 15 Kategorien unterteilt ist.

Überblick über den Geltungsbereich des GHG-Protokolls und die Emissionen in der gesamten Wertschöpfungskette (Quelle)

Damit die Daten besser vergleichbar sind, beschränken wir uns auf eine Einheit: CO2-äquivalente Umweltwirkung. Für jeden Scope und jede Kategorie möchten wir folgendes herausfinden:

  1. Welche Daten sind wichtig und sollten ausgewiesen werden?
  2. Wo finden wir diese Daten?
  3. Wie kommen wir auf den CO2-Ausstoss? (Umrechnung mittels Emissionsfaktor)
  4. Stimmt das Ergebnis?
  5. Stehen wir im Verhältnis gut oder schlecht da?

Klingt recht einfach. Ist es aber leider nicht, denn:

Kompliziert wird’s im Detail

Beim Datensammeln haben wir uns manchmal in den Details verloren. Welche Daten sind wichtig? Wie genau soll es sein? Welcher Emissionsfaktor trifft auf unser Unternehmen zu? Zum Beispiel:

Was bedeuten 2000 km Zugfahrt?

2000 km * 0.00815 kg CO2 = 16.3 kg CO2  = 0.0163 t CO2

Die Rechnung stimmt und liefert eine Zahl: 0.0163 Tonnen CO2. Plausibel, ja. Doch die vermeintliche Klarheit einer Zahl verbirgt, wie sie zustande gekommen ist:

Zur Kategorie Business travel gehören alle Emissionen aus der Beförderung von Mitarbeitenden für geschäftsbezogene Aktivitäten in Fahrzeugen, die nicht dem Unternehmen gehören, z.B. Flugzeuge, Züge, Busse und Personenkraftwagen. Dazu zählen sowohl Geschäftsreisen, Kundenbesuche wie auch Firmenausflüge.

  1. Was gehört hinein, was nicht?
  2. Wie genau sollen wir unsere Kundenbesuche ausweisen?
  3. Wissen die Mitarbeitenden noch, welche Kundenbesuche sie im 2019 getätigt haben?
  4. Welcher ist der richtige Emissionsfaktor?

Andere Kategorien wie Use of sold products geben zusätzliche Unklarheiten auf: Was passiert mit der Software, die wir verkaufen? Wie viel kWh verbraucht sie im Betrieb?

Als wir dann die erste detaillierte Datensammlung zusammenfassen, ergeben sich folgende Zahlen: im 2019 haben wir 79 t CO2 eq. und im 2020 50 t CO2 eq ausgestossen.

Was heisst das jetzt? Wie stehen wir da? Gut? Schlecht?

Um einen Überblick und Einordnung zu erlangen, wende ich mich an meinen täglichen Helfer – Google.

Ich: Hallo Google, Was ist der ökologische Fussabdruck von anderen Firmen?
Google: Da hast du einen Vergleich der Top 10 Firmen.
Ich so: Naja, da werden aber Firmen mit ganz unterschiedlichen Messmethoden und Messgenauigkeiten verglichen.
Google: Ja voll. Ist so.
Ich: ...

Okay, so kommen wir nicht weiter. Also noch einen Schritt zurück: Was ist überhaupt eine Tonne CO2?

Mit einer Tonne CO2 kann eine Person einmal von Zürich nach New York fliegen (one way). Der Ausstoss von smartive im 2020 entspricht also 26 Flügen nach New York und zurück nach Zürich. Oder 6 Reisen in einem Flugzeug um die Welt.

Um auch für unsere Kund*innen und Mitarbeiter*innen einen Überblick über unsere Emissionen über die Jahre zu geben, haben wir ein Dashboard erstellt. Dieses weist die Daten anhand der Scopes und Kategorien des Greenhouse Gas Protocol aus.

Was nehmen wir vom Corporate Footprint mit?

Trotz Standards misst jedes Unternehmen seinen Fussabdruck anders. Ein Vergleich ist schwierig. Zudem basieren viele Daten auf Schätzungen.

Im Nachhinein sind wir uns einig: So genau würden wir den Fussabdruck nicht mehr berechnen. Als kleines Dienstleistungsunternehmen ist der Kosten-/Nutzeffekt schlichtweg zu gering. Viele Faktoren, die wir ausgewiesen haben, werden von grösseren Firmen oft nur geschätzt oder sogar ganz weggelassen.

Ein Alternativer Weg für KMUs

Die oben erwähnte Google-Suche hatte doch noch einen guten Nebeneffekt: Sie führte mich zum Beratungsangebot Öko-Kompass. Die Stadt Zürich bietet allen Unternehmen in der Stadt Zürich eine kostenlose Beratungsstunde über Nachhaltigkeit im Betrieb.

Dank unserer Datensammlung für den Treibhausgas-Fussabdruck hatten wir alle nötigen Kennzahlen (und sogar einiges mehr) bereits zusammen.

Anhand unseren Daten zeigte unser Berater von myclimate, wie wir im Vergleich zu anderen ungefähr stehen. Beispielsweise rechnete er unseren Stromverbrauch auf die Mitarbeiter*innen zurück und meinte, dass wir gut im Durchschnitt, sogar ein wenig besser dabei sind 😎.

Und jetzt?

Dass das ökologische Denken bereits in den Köpfen der Mitarbeiter*innen verankert ist, zeigt sich an einigen Massnahmen, die bereits ergriffen wurden:

  • 🍽 Bei Firmenanlässen ist das Essen stets vegetarisch oder vegan.
  • 🌿 Unsere Teppiche sind Second Hand.
  • 🍎 Die wöchentliche Früchteschale ist biologisch und meist regional.
  • 🍻 Unser Bier kommt aus Zürich.
  • 🚄 Alle Mitarbeitenden pendeln mit ÖV oder Fahrrad zur Arbeit.

3 – Sustainability Roadmap und 4 – Ecodesign & Engagement

Der Corporate Footprint hat uns nochmals ein tieferes Verständnis und Einblick über unseren Verbrauch gegeben. Doch wo wollen wir damit hin und wie sieht der Weg dorthin aus?

Klar ist: Wir wollen unseren Beitrag für die Umwelt leisten. Bis Ende 2021 möchten wir die nötigen Massnahmen festlegen. Oder hmm, vielleicht…

Ich: Google, wie werden wir nachhaltig?
Google: Set targets!
Ich: OK Google.